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28.11.2020

Resolution: EU-Parlament verurteilt Abtreibungsurteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs

Das Europäische Parlament hat am 25.11.20 in einer Resolution das kürzlich gefällte Abtreibungsurteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs vom 22. Oktober verurteilt. Sie sehen darin einen Rückschlag für die „sexuellen und reproduktiven Rechte“ der Frauen in Polen und betonen die gesetzliche Verpflichtung der EU, diese Rechte zu wahren und zu schützen.

In der Resolution, die mit 455 Stimmen bei 145 Gegenstimmen und 71 Enthaltungen angenommen wurde, erklärt das Parlament, dass das Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs, Abtreibung in Fällen schwerer und irreversibler fötaler Defekte für illegal zu erklären, "die Gesundheit und das Leben der Frauen gefährdet", da die meisten legalen Abtreibungen im Land aus diesen Gründen durchgeführt würden. Ein Verbot dieser Option, auf die im Jahr 2019 96 Prozent der legalen Schwangerschaftsabbrüche in Polen entfielen (1.074 von 1.110), würde zu einer Zunahme "unsicherer, heimlicher und lebensbedrohlicher Abtreibungen" führen, warnen die Abgeordneten.

Der Text stellt fest, dass die Entscheidung von "Richtern getroffen wurde, die von Politikern aus der Regierungskoalition unter Führung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gewählt werden und voll und ganz von ihnen abhängig sind".

Das Parlament betonte, dass in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte restriktive Abtreibungsgesetze die Menschenrechte von Frauen verletzen. Die Abgeordneten sind sich einig, dass die ungehinderte und rechtzeitige Bereitstellung von Dienstleistungen im Bereich der „reproduktiven Gesundheit“ und die Achtung der reproduktiven Autonomie und Entscheidungsfindung von Frauen entscheidend für den Schutz der Menschenrechte von Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter sei.

Frauenrechte sind Grundrechte, stellten die Plenarversammlung fest und erinnert daran, dass die EU-Institutionen und die Mitgliedsstaaten gesetzlich verpflichtet sind, sie zu wahren und zu schützen. Die Abgeordneten weisen darauf hin, dass sich polnische Mediziner zunehmend auf die Gewissensklausel berufen, selbst wenn sie gebeten werden, Verhütungsmittel zu verschreiben oder um den Zugang zu pränatalen Untersuchungen zu verhindern. Tausende polnische Frauen seien jedes Jahr gezwungen, ins Ausland zu reisen, um Zugang zu einem so wichtigen Gesundheitsdienst wie der Abtreibung zu erhalten, was ihre Gesundheit weiter gefährde und ihr Wohlbefinden aufs Spiel setze.

Die Abgeordneten bringen des Weiteren ihre Unterstützung und Solidarität mit polnischen Bürgern zum Ausdruck, insbesondere mit Frauen und LGBTI+-Personen, die "trotz der Risiken für die öffentliche Gesundheit auf die Straße gingen, um gegen die gravierenden Einschränkungen ihrer Grundfreiheiten und -rechte zu protestieren". Sie stellen fest, dass das Urteil gefällt wurde, als es strenge Einschränkungen gab, um der COVID-19-Pandemie entgegenzuwirken, "die jede ordnungsgemäße demokratische Debatte behinderten".

Der Text verurteilt den exzessiven und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und Gewalttätigkeiten gegen Demonstranten durch Strafverfolgungskräfte und andere, wie z.B. rechtsextreme nationalistische Gruppen.

Nach Ansicht des Parlaments ist dieses Urteil "ein weiteres Beispiel für die politische Machtübernahme in der Justiz und den systemischen Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit" in Polen. Die Abgeordneten fordern die Kommission auf, die unrechtmäßige Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofes zu bewerten.

Weitere Informationen:

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. November 2020 zu der De-facto-Abschaffung des Rechts auf Abtreibung in Polen (2020/2876(RSP))
Dort gibt es weitere Dokumnete zum Debattenverlauf

Polish de facto ban on abortion puts women’s lives at risk, says Parliament
Original-Pressemitteilung des EU-Parlaments 26.11.20