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28.11.2011

PM: Entscheidungslösung läuft auf eine Vergesellschaftung der Organe hinaus

Münster, 28.11.2011. Mechthild Löhr, die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL) kritisiert scharf die vom Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr vorgetragene Einigung zur "Entscheidungslösung" zur Organspende.

"Die Fraktionsvorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien haben sich am 24. November 2011 mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) darauf geeinigt, dass Mitarbeiter von Krankenkassen und Behörden künftig die Menschen in Deutschland regelmäßig auf ihre Bereitschaft ansprechen sollen, im Falle ihres Hirntods Organe zu spenden. Diese Abfrage soll etwa bei der Übersendung einer Versichertenkarte "mit so viel Nachdruck wie möglich, ohne jedoch eine Antwort zu erzwingen oder Sanktionen auszuüben" erfolgen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Bundestagsfraktionen. Die so genannte "Entscheidungslösung" soll in der ersten Jahreshälfte 2012 vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden. Sie würde die bisher geltende "Zustimmungslösung" ersetzen, wonach ein Mensch zu Lebzeiten aus eigenem Antrieb einer Organspende zugestimmt haben muss oder Angehörige eines Hirntoten dies stellvertretend für diesen tun. In Umfragen sind zwar angeblich etwa 75 Prozent aller Bundesbürger bereit, nach ihrem Tod Organe zu spenden, aber nur etwa 25 Prozent von ihnen haben einen Organspende-Ausweis ausgefüllt. Demgegenüber wartet eine seit Jahren stereotyp mit 12.000 angegebene Zahl von Patienten auf ein Spenderorgan. Gemeinsames Ziel der Bundestagsfraktionen ist es, die Zahl der Organspender zu erhöhen. Die Fachpolitiker wollen bis Jahresende einen Gruppenantrag für einen Gesetzentwurf erarbeiten.

Es grenzt indessen an Willkür, dass sich die Fraktionsvorsitzenden ohne eine voraus gegangene breite Debatte in der Öffentlichkeit geeinigt haben. Eine Entscheidung des Einzelnen über eine derart höchstpersönliche Frage darf den Bürgern vom Staat nicht aufgenötigt werden, erst recht nicht ohne eine vorherige Aufklärung über die strittigen ethischen und rechtlichen Probleme des so genannten "Hirntodes", der einen lebenden Organismus bei irreversibel ausgefallener integrativer Funktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms beschreibt. Bei einem "hirntoten" Organspender liegen die typischen Merkmale eines Leichnams wie Atemstillstand, Leichenstarre oder Totenflecken gerade nicht vor, vielmehr ist der juristisch für tot Erklärte im biologischen und phänomenologischen Sinne durchaus noch am Leben.

Die jetzt politisch favorisierte "Entscheidungslösung" läuft auf eine Vergesellschaftung der Organe des Einzelnen hinaus. Lediglich noch formal ist das Prinzip der Freiwilligkeit gewahrt, denn indirekt übt der Staat moralischen Druck auf die Bürger durch die Befragung aus. Besonders bei körperlich oder psychisch schwer kranken Menschen kann es äußert negative Konsequenzen haben, wenn sie mit der Frage nach einer möglichen Organentnahme konfrontiert werden. Wie mag sich ein alter oder psychisch wie physisch schwer erkrankter Mensch fühlen, wenn er offiziell solche Post bekommt? Bedeutet diese Nachfrage nicht indirekt: "Wir hoffen auf Dein Ableben, denn dann kannst du noch Nutzen stiften?" Was der Staat sich hiermit als neue, moralische höchste Instanz anmaßt, macht die Bürger zu Untertanen, die zum Dienst für die Allgemeinheit erzogen werden müssen.

So verständlich die patientenzentrierte Sichtweise auf das Thema Organtransplantation auch sein mag, so deutlich muss doch aus ethischer Perspektive vor einer Blickverengung gewarnt werden, bei der die Besonderheit dieses Therapieverfahrens nicht mehr beachtet wird: Menschliche Organe sind keine Heilmittel oder Medizinprodukte im üblichen Sinn, die industriell gefertigt und nach den Regeln von Angebot und Nachfrage in den Warenverkehr gebracht werden können. Einen rechtlichen oder auch nur einen moralischen Anspruch auf die Überlassung von fremden Organen, die konstitutiver Teil einer anderen Person waren oder sind, kann es um der Würde des Menschen willen, die auch die Würde des Organspenders und unser aller Würde mit umfasst, nicht geben. In sofern müssen sich Politik, Medizin und Gesellschaft bei allem Fortschrittsoptimismus auf diesem Feld auch künftig in eine gewisse Selbstbegrenzung ihrer Wünsche fügen."

Die Christdemokraten für das Leben (CDL) sind eine Initiative in der CDU/CSU mit 5.000 Mitgliedern, darunter zahlreiche Bundestags-, Landtags- und Europaabgeordnete sowie Kommunalpolitiker